Therapeutisches Fasten nach Buchinger und Immunsystem: Erfahrung und Hypothesen

Françoise Wilhelmi de Toledo

Erschienen in:
Wilhelmi de Toledo, F.: „Therapeutisches Fasten nach Buchinger und Immunsysten. Erfahrungen und Hypothesen.“ In: Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren. 1990, 36 (5). Seite 331-341

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* Positive Wirkung des Fastens auf Infektionskrankheiten
* Abwehrlage und Indikation zum Fasten
* Wissenschaftlich geprüfte Daten zur Abwehrlage im Fasten
* Immunrelevante Fastenwirkungen
* Stillegung des Magen-Darm-Traktes
* Eiweißkatabolie
* Entwässerung/Entsalzung und Gewichtsreduktion
* Veränderung des hormonellen Milieus
* Indikation zum Fasten bei den verschiedenen Abwehrlagen
* Faktoren, die anläßlich eines Fastens die Immunität beeinflussen
* Möglichkeiten der Immunstärkung durch Modifikation des Fastens
* zum Fasten
* Literatur

 

Zusammenfassung:

In der reichen traditionellen medizinischen Fastenliteratur wird das Fasten als der Weg zur Heilung beschrieben. In der alltäglichen Fastenpraxis beobachtet man, daß bei akuten wie bei chronischen Infektionen, bei Allergien sowie bei den Autoimmunerkrankungen das Fasten sich als Basistherapie bewährt. Allerdings muß das Fasten methodisch richtig durchgeführt werden (Bewegung, Ausscheidung, psychisch-seelische Betreuung), die Dauer adaptiert sein, das Fasten nicht zu spät in der Entwicklung der Krankheit beginnen. Wenn die individuelle Ausgangslage es nötig erscheinen läßt, kann man durch die Modifikation der Fastenzusätze die gewünschte Immunmodulation unterstützen. Als Alternative zum Fasten stellen wir zwei Möglichkeiten vor: die Rohkost und die Kousmine-Therapie.
Schlüsselwörter: Fastentherapie, Immunologie, Abwehrlage, Eiweißkatabolie, Gewichtsreduktion


Positive Wirkung des Fastens auf Infektionskrankheiten
Die ältere Generation der Fastenärzte ist von der positiven Wirkung des Fastens bei Infektionskrankheiten fest überzeugt (S). So berichtet E. H. Dewey (2) aus Meadville/Pennsylvania von einem typhuskranken Mädchen, das alle feste und flüssige Nahrung erbrach. Obwohl sie in einem elenden allgemeinen Zustand war und hohes Fieber hatte, wagte er es, sie so lange mit Wasser fasten zu lassen, bis sich das Nahrungsverlangen wieder einstellte. Das dauerte 35 Tage lang, in denen die Fieberschübe langsam abklangen.
Danach genas die junge Patientin vollständig. Für den Arzt Dewey war das ein beeindruckendes Schlüsselerlebnis. R. Kapferer (10) hat als Militärarzt im 1. Weltkrieg in einem Feldlazarett ca. 400 Soldaten mit fieberhaften Erkrankungen zu betreuen gehabt. Nach seinen Angaben handelte es sich dabei um Erkrankungen an Typhus, Ruhr, Scharlach, Diphtherie, Lungenentzündung, Sepsis, Mandelentzündung, fieberhaftem Gelenkrheumatismus, Malaria. Es wurden dabei beliebige Mengen an Flüssigkeit in Form von Wasser, Kräutertees und verdünnten Obstsäften gereicht. Die Fastendauer betrug zwischen mehreren Tagen und 2 bis 3 Wochen. Genauere Angaben, etwa auch über die Zusatztherapie und über einzelne Fälle, wurden nicht gemacht. Außer wenigen desolaten Fällen, die schon moribund eingeliefert worden waren, schreibt er, seien alle Erkrankten geheilt worden. Leider liegen keine statistischen Unterlagen vor. A. Bier (8) (zitiert nach Heun) hat beim Fasten postoperativ eine schnellere und unkompliziertere Wundheilung beobachtet. Auch hier wurden keine statistischen Angaben gemacht.
Auch persönliche, schicksalhafte Erfahrungen wurden berichtet. So heilte Otto Buchinger sen. (1) eine resistente Infekt-Polyarthritis, wegen der er dienstuntauglich vom Militär entlassen worden war, mit einem 18tägigen Wasserfasten bei G. Riedlin in Freiburg völlig aus. Diese persönliche, so bedeutungsvolle Fastenerfahrung hat ihn dazu veranlaßt, seine segensreiche Tätigkeit als Fastenarzt aufzunehmen. In neuerer Zeit erschien in „Lancet“ (11) ein Bericht über die Behandlung von Polyarthritis durch kurzes Fasten mit anschließender veganer und vegetarischer Ernährung über ein Jahr. Diese Gruppe aus Oslo weist statistisch signifikante Verbesserungen der Schmerzen sowie der Mobilität an mehreren Gelenken auf.
W. Zimmermann (23) berichtet von überraschend guten Erfolgen bei chronischer Sinusitis frontalis und bei resistenten seropositiven Hepatitiden. Breiten Raum nehmen die Berichte über Ausheilungen von alten oder neuen Thrombophlebitiden, Salpingitiden, Zystitiden, Tonsillitiden und Sinusitiden durch Fasten ein (Literatur in 5 ).
Heinz Fahrner, ein Schüler Buchingers, bezeichnet das Fasten als den stärksten Appell an die natürlichen Selbstheilungskräfte des Menschen, sowohl leiblich wie auch seelisch gesehen (4).
Die allgemeine Erfahrung der FastenärztInnen ist, daß eine richtig angewandte und dosierte Fastenbehandlung eine positive Beeinflussung der gesamten Immunitätslage verursacht. Jedoch, so Fahrner, sind diese klinischen Beobachtungen hauptsächlich als Kasuistik in der naturheilkundlichen Literatur zu finden.

Abwehrlage und Indikation zum Fasten
Um eine ausgewogene Immunität zu erlangen, muß man nicht immer das Immunsystem stimulieren. Vielmehr redet man von „Immunmodulation“. Bei Allergien oder autoimmunen Krankheiten müßte man in gewisser Weise das Immunsystem eher bremsen.
Um gesund zu sein, ist es unentbehrlich, über eine normale Immunität zu verfügen. Das immunologische Gleichgewicht ist – schematisch von drei Faktoren abhängig:
1. Die normale Funktion spezialisierter Zellen, wie die Lymphozyten B, T, die Makrophagen, polymorphkernige Zellen. Hier handelt es sich um die Armee und deren Kriegsmaterial und Waffen.
2. Die Intensität, Frequenz und Dauer der von außen kommenden Attacken (die Antigene kommen über Luft, Wasser, Nahrung usw.). Nicht nur das Antigen-Material quantitativ spielt die Hauptrolle, sondern auch die vermehrte Permeabilität unserer Membranen, Haut, Schleimhäute, Zellmembranen. Die Darmschranke spielt dabei eine entscheidende Rolle.
3. Die membranöse Zellhormonregulation: Dies ist in der Hauptsache das System der Prostaglandine.

Wissenschaftlich geprüfte Daten zur Abwehrlage im Fasten
Es gibt nur wenige Studien, die den direkten Einfluß des Fastens auf das Immunsystem erforscht haben.
Die Daten, die in Tab. I gesammelt wurden, stammen aus Studien (Literatur in 20) über
1. Hunger und chronische kalorische und Protein-Mangelernährung
2. Anorexia nervosa
3. akute Gewichtsreduktion bei extrem Adipösen
4. unfreiwillige Reduktion der Energiezufuhr
5. biologische Fastenzeiten bei Tieren.
Insgesamt sind diese Daten mangelhaft. Deren Interpretation wird durch unterschiedliche Untersuchungsmethoden bei ungleicher Fastendauer, inhomogene Patientengruppen und ungleiche Bedingungen erschwert. Auch die Fastenmethoden sind vermischt (Nulldiät, Heilfasten, protein- und kohlenhydratmodifiziertes Fasten mit oder ohne Vitamine, mit oder ohne körperliche Aktivität bei unterschiedlicher Streßexposition). Weiterhin fehlte bei diesen Studien eine brauchbare Arbeitshypothese, so daß die Interpretation von ähnlichen Ergebnissen manchmal durch zwei verschiedene Autoren ganz voneinander abweicht.
Insgesamt beziehen sich diese Ergebnisse auf kurze Fastenzeiten von ein paar Tagen bis maximal 2 bis 3 Wochen. Keine Daten sind erhältlich für längere Perioden, außer in Einzelfällen. Die Wirkungen des Fastens auf das Immunsystem – etwa wie es in einer ärztlich geleiteten Klinik durchgeführt wird – können aus diesen Ergebnissen nicht entnommen werden.

Tab. I: Parameter zur Abwehrlage im Fasten (18).

BSG ↓↓
T-Zellen * Proliferative response (PHA, PWM, PPD) = ↑↓ *)
* keine Änderung in: Zellenzahl, DTH-Hauttest, IFN-y-Produktion
B-Zellen * keine Änderung in Zellenzahl
NK-Zellen * vermehrte Aktivität
PMN * keine Veränderung in Zellenzahl
* Bakterizidie ↑↓ *)
* Antioxidant level ↓↓
* Ketose könnte mit Chemotaxis, Opsonisation interferieren
Makrophagen * keine Veränderung in Zellenzahl
* Bakterizidie ↑↑
PG2 Mediatoren * ↑↑ (aber Rezeptoren PG ↓↓ )
Entzündung = * Proteine ↓↓ (Haptoglobin, Transferrin, Oromucosoid)
Zytokines * C3↓↓ Faktor VIII ↓↓ CSF ↓↓

* Unterschiedliche Ergebnisse in verschiedenen Studien.
Immunrelevante Fastenwirkungen
Unter den verschiedenen Fastenwirkungen, die – spezifisch oder unspezifisch – die Verbesserung oder Heilung von Krankheiten erklären, versuchen wir jetzt diejenigen unter die Lupe zu nehmen, die für das Immunsystem von besonderer Relevanz sein könnten (6, 18). Immunrelevante Fastenwirkungen werden in Tab. II dargestellt.

Tab.II: Immunrelevante Fastenwirkungen

1. Stillegung des Magen-Darm-Traktes
2. Eiweißabbau
3. Entwässerung, Entsalzung, Gewichtsreduktion
4. Veränderung im hormonalen Milieu (vegetative Umstellung)5. psychisch-seelische Veränderungen

Stillegung des Magen-Darm-Traktes
Unser Immunsystem ist dazu da, die Integrität des Organismus gegen alles, was ihm fremd ist, zu schützen. Der Kontakt mit diesem fremden Material findet hauptsächlich über Haut und Schleimhäute statt. Die Darmoberfläche mit ihren ca. 200 m² stellt die größte „immunologische Front“ im menschlichen Organismus dar. Verglichen damit beträgt die Oberfläche der Lunge ca. 40 m² und die der Haut lediglich 2 m² (siehe Abb. 1). Durch die Ernährung führt man dem Organismus die größte Antigenladung zu. Im Verdauungsbereich befinden sich ca. 80% unseres Immunsystems. Die Hauptfunktion des darmassoziierten Immunsystems ist die Selektion der wünschenswerten Antwort und ihrer Intensität in Anwesenheit von Nahrungsantigenen (9, 19, 3).
Die Quasi-Ausschaltung der Nahrungsantigenzufuhr während eines Fastens stellt mit Sicherheit eine massive Entlastung des Immunsystems dar. Dazu kommt auch die Suppression der „Darmrückvergiftung“ durch Fäulnisprodukte, biogene Amine, Gärungsprodukte, bakterielle Toxine und mögliche, im Verdauungstrakt entstandene „Gifte“.

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Abb. 1: Kontakt des inneren Milieus mit der äußeren Welt.

Eiweißkatabolie
In der katabolischen Stoffwechsellage des Fastens ist mit einer eventuellen Verminderung der Synthese immunkompetenter Strukturen (Antikörper, Zellen oder anderen) möglicherweise zu rechnen. Da aber parallel dazu eine enorme Verminderung der „Attacke“, dadurch, daß der Magen-Darm-Trakt stillgelegt wird, vorkommt, sieht man summa summarum, solange eine gewisse kritische Masse nicht erreicht wurde, eine Verbesserung der Abwehrlage. Jedoch – und besonders über längere Fastenzeiten – könnten die Verminderung der Eiweißsynthese oder die Verlangsamung der Zellen-Turn-Over im Hinblick auf Krankheiten von Nachteil sein. Im Gegenteil könnte diese relative „Immundepression“ bei autoimmunen oder allergischen Erkrankungen sowie entzündlichen Krankheiten von Vorteil sein (15, 11, 21, 14, 7).
Außerdem könnte die Hypothese von Wendt und Heine (22), daß die Mikrozirkulation durch Abbau pathologischer Eiweißspeicher (etwa in der Grundsubstanz oder in der Basalmembran) zur Verbesserung der Mikrozirkulation und dadurch zur nichtspezifischen günstigen Immunmodulation beitragen.

Entwässerung/Entsalzung und Gewichtsreduktion
Genauso wie bei der Hypothese des pathologischen Eiweißabbaus könnte auch die Entwässerung durch die Entquellung des Bindegewebes zur unspezifischen Immunverbesserung und Verbesserung der Mikrozirkulation führen (Abb. 2).
Da Übergewicht mit gestörter Immunfunktion (20) korreliert, kann die durch Fasten erzielte Gewichtsreduktion positiv sein (17).

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Abb. 2: Mikrozirkulation.

 

Veränderung des hormonellen Milieus
Tab. III belegt Veränderungen des hormonellen Milieus im Fasten (modifiziert nach J. Shoham, „The effect of fast an the immune System“, 6. Überlinger Stoffwechsel-Tagung).
Die allgemeinen hormonellen Veränderungen stellen eine Immunmodulation dar, die noch unklar ist. Infolge von Autoimmunkrankheiten, wie die rheumatische Arthritis, könnte besonders die Erhöhung der Kortisonproduktion in der Verminderung der Symptomatik eine entscheidende Rolle spielen.

Tab. III: Veränderungen des hormonellen Milieus im Pasten und ihre möglichen Auswirkungen auf die Immunfunktion.

Hormone immunmodulatorische
Aktivität
Produktion der Lymphozyten mögliche immunologische Auswirkungen während des Fastens
TSH ↓↓ (T4 ↓↓ ) + (E) + Ig-Synthese ↓↓ PR (T) ↓↓
GH ↑↑ + (E) + PR (T) ↓↓
PRL ↓↓ ++++ (E) + PR (T) ↓↓ Immunfunktionen ↓↓
ACTH ↑↑ (Kortisol ↑↑ ) ++++ (S) + PR (T) ↓↓
Lymphokinproduktion ↓↓
α-Endorphine ↑↑ ++ (S) ? Ig-Synthese ↓↓ Th-Funktion ↓↓
Insulin↓↓ IGF↓↓ +++ (E) PR (T) ↓↓
FSH ↓↓
Östrogen ↓↓
+ (E) Immunfunktion ↓↓
Testosterone ↓↓

E = Steigerung, S = Suppression, PR = proliferative Antwort, T = T-Zellen

 

Tab. IV: Pathologische Abwehrlage (Schema modifiziert nach C. Kousmine, „Sauvez votre Corps. Ed. R. Laffont, 1987, S. 250).

Abwehrlage Krankheiten (z. B.) Fasten-Indikation
schwache, mangelhafte
Abwehrlage
rezidivierende Infekte der
oberen Atemwege / Harninfekte
+
überschwengliche Abwehrlage Allergien Rheuma ++
verwirre Abwehrlage autoimmune Krankheiten
(multiple Sklerose, Lupus, Myopathien usw.)
+
verlorene Immunitätsabwehr AIDS, floride TBC, gewisse Krebsarten (-)
perverse Abwehrlage Tumoren (gutartige/bösartige) (+)

 

Indikation zum Fasten bei den verschiedenen Abwehrlagen
Die Formen der pathologischen Abwehrlage kann man in fünf Kategorien klassifizieren (12) (Tab. IV).
1. Im Falle von schwacher Abwehrlage muß die Indikation zum Fasten individuell evaluiert werden: Einerseits kann der Ausfall der Ernährungsantigen-Ladung eine massive Entlastung darstellen und die sonst nichtspezifischen Fastenwirkungen, wie die Verbesserung der Mikrozirkulation, vegetative Gesamtumschaltung, Rückkehr zu normalem Rhythmus und der erholende Effekt, eine entscheidende Rolle spielen. Diese relative Immunstärkung erfordert für die Stabilisierung eine besondere Aufmerksamkeit auf die Aufbauphase, hinzu könnten Einweißzusätze sowie besonders Vitamine, Mineralien mit anderen Zusätzen an Mikronährstoffen in Frage kommen.
2. Bei der „überschwenglichen“ Abwehrlage (z. B. bei Allergien) ist Fasten Bekannterweise indiziert, und besonders die nichteiweißmodifizierten Formen, wie das Buchinger-Fasten. Besondere Aufmerksamkeit sollte auch dem selektiven Aufbau geschenkt werden, so wie die Oslo-Gruppe dies praktiziert hat. Auch da, und falls der Patient oder die Patientin normaloder untergewichtig sind, sollten die Fastendauer sowie die Fastenzusätze adaptiert werden.
3. Bei „verwirrter“ Abwehrlage (z. B. bei autoimmunen Erkrankungen) ist das Fasten ohne Eiweißzufuhr indiziert. Auch da ist die individuelle Ausgangslage zu respektieren.
4. Im Falle von verlorener Immunität, etwa wie bei AIDS oder florider Tuberkulose sowie fortgeschrittenen Krebsformen empfehlen sich weniger drastische therapeutische Schritte als das Fasten: Rohkost-, Regimen- oder auch die Kousmine-Therapie können zu symptomatischer Besserung beitragen.
5. Bei „perverser“ Abwehrlage (z. B. Krebs) ist das Fasten bedingt indiziert. Gutartige Tumoren, etwa Prostataadenome oder Fibrome, scheinen nicht besonders fastenreaktiv zu sein. Ein Fasten kann aber durchaus berechtigt
sein. Im Falle von bösartigen Tumoren sind die Meinungen geteilt. In den einzelnen Fällen und im Rahmen von mangelhaften Berichten werden Krebsheilungen beobachtet. Unsere Haltung ist vorsichtiger, wir empfehlen kurze Fastenzeiten zur Umstimmung und Reinigung des Verdauungstraktes, etwa 3 bis 7 Tage mit Obstsäften und Gemüsebrühen sowie Mikronährstoffzufuhr und konsequente Darmreinigung. In allen Fällen stellt dieses kurze Fasten lediglich den ersten Schritt, eine Einführung einer grundsätzlichen Ernährungsumstellung dar. Wir praktizieren in solchen Fällen die „Kousmine“-Therapie (siehe unten).

Faktoren, die anläßlich eines Fastens die Immunität beeinflussen (Tab. V)
Die klinische Beobachtung während des Fastens kann auch eine wichtige Indikation über die Immunabwehrlage liefern, wie etwa die Leistungsfähigkeit bzw. Müdigkeit. Allerdings können viele Reaktivierungssymptome wie in der homöopathischen Behandlung als vorübergehende Eliminationskrisen gesehen werden und sollten nicht zum frühzeitigen Abbruch des Fastens führen.

Tab. V: Faktoren, die anläßlich eines Fastens die Immunität beeinflussen.
1. Ausgangslage des Fasters oder der Fasterin
* Alter
* Geschlecht
* Ernährungsgewohnheiten /
Mikronährstoffe-Verzehr
* Genußgifte und Medikamente
* Konstitution, Vitalität
* psychisch-seelische Ausgangslage
2. Fastenverlauf
* Länge des Fastens
* Fastenzusätze
* Streß
* körperliche Aktivität
* Hilfsmethoden zum Fasten
* Betreuung, Motivation
* Stimulation der Ausscheidungen
3. Zeit nach dem Fasten
* Ernährung
* Länge und Qualität des Aufbaus
* Abschiedsprozesse
4. Vorbereitung vor dem Fasten
* stufenweise Verminderung der Genußgifte
* die Stufen-Einführung ins Fasten

 

Möglichkeiten der Immunstärkung durch Modifikation des Fastens

1. durch Eiweißzugabe (siehe Tab. VI)
2. durch Mikronährstoffzugabe (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente)
3. durch essentielle Fettsäurezugaben
4. durch Stimulierung der Ausscheidungsvorgänge
5. durch die Betreuung der psychisch-seelischen Dimension

Zu Punkt 1: Heute ist die Modifikation des Fastens durch Eiweißzugabe beinahe ein Dogma geworden… leider für die Naturheilkunde. Erklärbar ist das dadurch, daß das Fasten als Gewichtsreduktionsmethode für massiv Übergewichtige etikettiert wurde. Angestrebt waren mehrmonatige Fastenperioden. Dieses eiweißmodifizierte Fasten heißt heute VLCD (Very Low Calory Diet). Industriell verarbeitete Formulas werden vermarktet (16), die aber keineswegs die richtige Durchführung eines stationären Fastens ersetzen. Wegen deren zu hohen Eiweißanteils (ca. 100 g/Tag) und der chemischen Form der Produkte ziehen wir eine naturbelassene Form (z. B. Buttermilch) vor, falls eine Eiweißzugabe benötigt wird.

Zu Punkt 2: Die heutige konventionelle Ernährung kann zu einer Verarmung an Mikronährstoffen, besonders einiger, wie der B1-Vitamine, Jod, Eisen, Kalzium und einiger Spurenelemente, führen. Bekannterweise spielen die Antioxidanzien und mehrere Spurenelemente eine Rolle für die Immunität. Während eines Fastens müssen die Reserven an Mikronährstoffen herangezogen werden. Trotz Sparmaßnahmen könnte eine vorexistierende, verminderte Saturierung der Gewebe an Mikronährstoffen daraus entstehen. Die Modifikation des Fastens durch Obstsäfte, Gemüsebrühen sowie in einzelnen Fällen pharmazeutische Mikronährstoffe könnte theoretisch angebracht sein.

Zu Punkt 3: Die essentiellen Fettsäuren spielen eine entscheidende Rolle in der Struktur der Membranen und Schleimhäute. Sie sind daher mitverantwortlich für die Effizienz der Darmschranke sowie für die Zellmembranpermeabilität. Außerdem sind sie Vorstufen von Prostaglandinen und daher direkt an der Zellimmunität beteiligt. Die heutige Ernährung bevorzugt gesättigte Fettsäuren und auch chemisch veränderte Fettsäuren der herkömmlichen Margarinen. Die Hauptquelle an essentiellen Fettsäuren – die Ölsaaten und die daraus hergestellten kaltgepreßten Öle – wird leider zu wenig verzehrt. Auch während eines Fastens könnte es indiziert werden, mit essentiellen Fettsäuren zu supplementieren (oral und rektal).
Auch da fehlt es an Studien. Jedoch die Erfahrung vieler Fastenärztlnnen sowie theoretische Überlegungen machen es plausibel, daß gewisse Zusätze im Fasten die Abwehrlage positiv beeinflussen könnten.

Zu Punkt 4: Alle Ausscheidungsvorgänge sollen im Fasten aktiviert werden: Darm, Leber, Nieren, Lunge, Haut.

Zu Punkt 5: Das Fasten vereinfacht die Wendung nach innen (24). Psychisch-seelische Spannungen können allein oder in therapeutischer Begleitung gelöst werden. Über die Einflüsse psychischer Störungen auf die Immunität wird derzeit viel geforscht.

Tab. VI: Modifikation des Fastens durch Eiweiß/Kohlenhydratzugabe

1. Fastenmodifikation nach Buchinger:
Obstsaft (1/4 Liter), Gemüsebrühe (1/4 Liter), Honig (30 g) und kalorienfreie
Getränke
2. Modifikation nach Fahrner:
Wie Buchinger, aber mit Zugabe von Buttermilch (1/8 bis 1/2 Liter)
3. Modifikation nach Anemueller: Molkekur
4. Modifikation nach Kousmine:
Wie Buchinger, aber mit Zugabe von Quark (10 Gramm) mit Leinöl,
Karottensaft mit Sonnenblumenöl, Mikronährstoffe oral und parenteral, Zufuhr
von Zitraten im Verhältnis zum Urin-pH, intensive Darmreinigung, Öleinläufe.
5. Formuladiäten (40 bis 100 g Eiweiß pro Tag)

Alternative zum Fasten
In einzelnen Fällen kann diese Modifikation des Fastens so weit führen, daß es sich eher lohnt, eine andere Form der Ernährungstherapie auszuwählen (auf jeden Fall bei verlorener oder sehr geschwächter Immunität). Dazu bieten sich folgende Möglichkeiten an:
– Rohkost
– Kousmine-Therapie (13) (Tab. VII).

Tab. VII: Fünf Säulen der Kousmine-Therapie.

1. Ernährungsumstellung
2. Darmreinigung
3. Verabreichung von Mikronährstoffen oral und parenteral
4. Zufuhr von essentiellen Fettsäuren oral und rektal
5. pH-Kontrolle und Alkalisierung des Urins

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Literatur
1. Buchinger, O., sen.: Das Heilfasten. Hippokrates-Verlag, Stuttgart, 1982.
2. Dewey, E. H.: Die Fastenkur und das Morgenfasten. Verlag O. Salle, Berlin, 1910.
3. Dzhugostran, V. 1., E. T. Niamtsu, V. D. Zlepka, L u. G. Marchenko: Enterosorption and therapeutic fasting in the treatment of patients witch bronchial asthma. Klin. Med. Mosk. 69 (4) (1991) 54-56.
4. Fahrner, H. A.: Fasten als Therapie. z. Aufl., Hippokrates-Verlag, Stuttgart, 1991.
5. Fahrner, H. A.: Zur Immunologie des Fastens. Naturamed 1 (1986) 22-27.
6. Fernandes, G., E. J. Yunis, R. A. Good: Influence of diet an survival of mice. Proc. Natl. Acad. Sci., USA 73 (4) (1976)1279-12s3.
7. Hafstrom, L, B. Ringertz, H. Gyllenhammar, J. Palmblad, M. Harms-Ringdahl: Effects of fasting an disease activity, neutrophil function, fatty acid composition, and leukotriene biosynthesis in patients with rheumatoid arthritis. Arthritis-Rheum. 31 (5) (1988) 585-592.
8. Heun, E.: Das Regenerationsproblem im Spiegel von Hungern und Fasten. Diaita 2 (1959) 7-12.
9. Inman, R. D.: Arthritis and enteritis: an Interface of protean manifestations. J. Rheumatol. 14 (1987) 406-407.
10. Kapferer, R.: Fastenkuren – Wunderkuren. Verlag F. P. Lorenz, Freiburg i. Br., 1922.
11. Kjeldsen-Kragh, J., M. Haugen et al.: Controlled trial of fasting and oneyear vegetarian diet in rheumatoid arthritis. The Lancet 338 (1991) 899902.
12. Kousmine, C.: Sauvez votre Corps. Ed. Robert Laffont (1987) 250-290.
13. Kousmine, C.: Gesundheit im Teller. Ed. Delachaux und Niestle, 1984.
14. Lithell, H., A. Bruce, L B. Gistafsson, N. J. Hoglung, B. Karlstrom, K. Ljunghall, K. Sjolin, P. Venge, 1. Werner, B. Vessby: A fasting and vegetarian diet treatment trial an chronic inflammatory disorders. Acta. Derm. Venereol. Stockh. 63 (5) (1983) 397402.
15. Palmblad, J., L Hafstrom, B. Ringgertz: Antirheumatic effects of fasting. Rheum. Dis. Clin. North. Am. 17 (2) (1991) 351-362.
16. The use of very low calorie diets in obesity. HMSO Books, London. Report an Health and Social Subjects 31 (1987).
17. Rossner, S.: Fasting – Wrong in obesity? Nord. Med. 105 (6-7) (1990) 190-191.
18. Shoham, J.: The Effect of Fast an the Immune System. Vortrag anläßlich der 6. Überlinger Stoffwechseltagung.
19. Skoldstam, L., K. E. Magnusson: Fasting, intestinal permeability, and rheumatoid arthritis. Rheum. Dis. Clin. North. Am. 17 (2) (1991) 363371.
20. Stallone, D. D.: The influence of Obesity and Its Treatment an the Immune System. Nutrition Reviews 52 (1994) 37-50.
21. Uden, A. M., L. Trang, N. Venizelos, J. Palmblad: Neutrophil functions and clinical perfomance after total fasting in patients with rheumatoid arthritis. Arm. Rheum. Dis. 42 (1) (1983) 45s1.
22. Wendt, L.: Hypoporopathie. z. Aufl., E. Koch, Frankfurt, 1973.
23. Zimmermann, W.: Die Fastenbehandlung interner Erkrankungen. Phys. Therapie u. Rehabil. 4 (1972) 94-100.
24. Brantschen, N.: Fasten neu erleben. 2. Aufl., 1993.

Anschrift der Verfasserin:
Dr. med. Françoise Wilhelmi de Toledo
Klinik Buchinger Wilhelmi am Bodensee
D-88662 Überlingen