Dr.med. Christian Kuhn, Klinik Buchinger, D-88662 Überlingen.christian-kuhn

Fasten bei Rheumatoider Arthritis

Der Beitrag erschien in: Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren,  Heft 9, September 1988, 29. Jahrgang, Seite 702-714

* Ganzheitsmedizin: Der ganze Mensch als Einheit von Körper, Seele und Geist
* Fasten betrifft den ganzen Menschen
* Körperliche Fastenwirkungen
* Eiweißsubstitution?
* Eikosanoide: Gewebshormone mit auch immunmodulierenden Eigenschaften
* Vorsicht vor Gewebsazidose bei allen Gelenkerkrankungen
* Allopathische Medikamente im Fasten meist entbehrlich
* Die seelisch-geistige Dimension des Fastens
* Rheumatische Arthritis als psychosomatische Erkrankung
* Eigene Verlaufsbeobachtungen
* Literatur

Zusammenfassung: Die ganzheitliche Wirkung des Heilfastens auf Körper, Seele und Geist allgemein und speziell bei der RA wird dargestellt und der Verlauf bei 37 Heilfastenkuren von 12 Patientinnen mit seropositiver RA gezeigt. – Im körperlichen Bereich wirkt das Fasten allgemein entschlackend und entgiftend und hat speziell bei der RA neben der diuretisch-entstauenden, abschwellenden und mikrozirkulationsverbessernden Wirkung auch einen antiphlogistischen Effekt und fördert über die negative Stickstoffbilanz einen Katabolismus von pathologischen Immunpeptiden. Spezielle Substitutionen und die Beachtung der potentiell negativen Azidose werden erwähnt. Im seelisch-geistigen Bereich kann das Heilfasten über seine introvertierend-meditative Wirkung Einfluß nehmen auf die psychosomatische Pathogenesemöglichkeit der „Rheumapersönlichkeit“, deren entsprechendes Modell vorgestellt wird.

Die RA ist eine entzündliche Systemerkrankung des Bindegewebes, überwiegend im Bereich der synovialen Gelenke. Im naturwissenschaftlichen Sinn gilt die Ursache als unbekannt, eine kausale; an der Wurzel angreifende Therapie daher als unmöglich. Arzt und Patient halten einen chronisch progredienten Verlauf für unabänderlich und beschränken sich auf Linderung der Symptome, d.h. auf Beseitigung von Schmerzen und auf bestmögliche Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit. Obwohl im Einzelfall mit viel Mühe und Engagement viel Gutes erreicht werden kann, sind die langfristigen therapeutischen Erfolge für alle Beteiligten meist frustrierend.

Ganzheitsmedizin: Der ganze Mensch als Einheit von Körper, Seele und Geist
Auf dem Boden der unbefriedigenden Gesamtsituation erwächst allmählich eine neue Sichtweise, die im Grunde eine sehr alte ist. In der Erkenntnis, daß das naturwissenschaftlich-analytisch-rationale Denkmodell unzureichend ist, besinnen wir uns zurück auf den Sinn von Krankheit für einen Menschen, der nicht nur aus einem Körper besteht, den man chemisch, physikalisch oder mechanisch mehr oder weniger beeinflussen kann.

Dieses komplexe Wesen Mensch hat auch eine Seele und einen Geist, die zusammen mit dem Körper die Ganzheit ausmachen (Abb. 1). Von diesem ganzheitlichen Erkennen früherer Kulturen und weiser Menschen ist durch die Überbetonung des analytisch-naturwissenschaftlichen Ansatzes der letzten 300 Jahre leider viel verloren gegangen, was wir jetzt mühsam und langsam wiederentdecken.

Abb. I

Dies gilt auch und vor allem für die Medizin. Gerade der oft frustrierende Umgang mit chronischen Krankheiten erfordert dieses ganzheitliche Denken, daß seelischgeistige Faktoren den materiellen Körper beeinflussen und über Gesundheit und Kranscheit entscheiden (6, 13). Nur wenn es gelingt, diese Faktoren bewußt zu integrieren, kann gerade bei chronischen Krankheiten ein echter Heilungsprozeß erwartet werden, der durch Beschränkung auf symptomatische Maßnahmen oft eher verzögert wird. Ganzheitlicher Heilungsprozeß ist Bewußtseinsprozeß; Krankheit hat einen Sinn und ist Chance für Wachstum im psychischen Bewußtsein und für geistig-religiöse Entwicklung (6).

KÖRPER SEELE
+ GEIST
Entschlackung Darm
Na2S04
Einlauf
Leber
heiße
Wickel
Niere
tgl. 2 – 3l
trinken
Lunge
Sport
Gymnastik
Haut
Bäder
Sauna
Introversion
Träume
Gespräche
Ernährung von innen; von außen Tee, Gemüsebrühe, Frischsäfte nach innen
Bewegung Gymnastik, Wandern, Physiotherapie, Spielen, Tanzen Meditation
Entspannung Autogenes Training, Yoga, Atemtherapie, Imagination Besinnung

Tab. I: Heilfasten.

Fasten betrifft den ganzen Menschen
Vor diesem Hintergrund ist das Heilfasten eine echt ganzheitliche Therapiemethode, die den ganzen Menschen in seiner Körper-Seele-Geist-Einheit betrifft. Fasten ist seit jeher eine Zeit der Besinnung und Introversion, und die seelisch-geistigen Energien werden um so stärker, je mehr der Körper entschlackt und gereinigt wird. Tab. I zeigt die Methodik des von uns praktizierten Heilfastens nach Otto Buchinger (3, 5, 8, 9, 12, 14). Sowohl der Körper, als auch Seele und Geist kommen in eine zunehmend reinigende und heilsame Bewegung. Während die materielle Nahrung reduziert wird, wird die geistige Nahrung zunehmend wichtig.
Otto Buchinger selbst hat sich von einer chronischen Polyarthritis, die ihn im 40. Lebensjahr invalidisiert hatte, durch Fasten geheilt und hat durch die intensive Beschäftigung mit der ganzheitlichen Dimension des Fastens zunehmend dessen seelisch-geistige Kräfte bis zum hohen Alter von 89 Jahren erfahren (3, 4).

Körperliche Fastenwirkungen
Körperlich ist Fasten die wohl strengste und eingreifendste Form einer Intensivdiätetik. Über eine entschlackende und entgiftende Wirkung hat es als Sonderform der Ausleitungstherapie vor allem bei chronischen Krankheiten einen therapeutisch-regenerativen und bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen einen antiphlogistischen und immunstimulierenden Effekt. Dies gilt in besonderem Maße für die RA (Tab. II).

Fasten wirkt diuretisch und hat so eine ausgeprägt abschwellende und entstauende Wirkung. Im Rahmen der Reduktion der extrazellulären Flüssigkeit um bis zu 20%, bilden sich etwaige Ergüsse meist innerhalb von 1 bis 3 Wochen zurück. Die Entstauung führt auch zu besserer OZ- uni Nährstoffversorgung, die für die bradytrophen Gelenkstrukturen besonders wichtig ist. Bei ausreichender Trinkmenge von mindestens 2 I täglich kommt es zu einer Besserung der Mikrozirkulation, die verstärkt wird durch eine Senkung der Koagulabilität über eine milde Vitamin-K-Verarmung, da durch regelmäßige Darmpflege die Vitamin-K-produzierende Darmflora vermindert wird.

allgemein speziell bei Rheumatoider Arthritis (RA)
diuretisch Erguß + Schwellung ↓↓ → kapillare Versorgung + Mikrozirkulation ↑↑
katabol „Entschlackung“ der Bindegewebe- + Gelenkstrukturen
Eiweiß Abbau pathologischer Immunkomplexe
Fett Freisetzung fettgebundener Toxine, ggf. statische Entlastung
Toxine Detoxifikation (z.B. Nahrungstoxine, Pestizide, Schwermetalle u.a.m.)
immunstimulierend Rheumafaktor-Titer ↑↑
antiphlogistisch Entzündungsparameter ↑↑
azidotisch Fettsäuren ↑↑, Ketosäuren ↑↑, Harnsäure ↑↑
Gegenmaßnahmen: reichlich trinken, evtl. puffernde Zitrate

 

Tab. II: Fastenwirkungen, körperlich.

Beim Umschalten des Organismus im Fasten von äußerer auf innere Ernährung durch Zufuhr von in der Regel nicht mehr als 200 kal. täglich gehen wir Fastenärzte davon aus, daß der Organismus Überschüssiges und Krankhaftes vorrangig vor lebensnotwendig Gesundem abbaut und im Stoffwechsel ausscheidet oder verbrennt. Otto Buchinger nennt dies die Arbeit des „inneren Arztes“ und spricht vom „nagenden Fastenblut“ (3).

Da Krankhaftes und Überschüssiges vor allem im ubiquitär vorhandenen und alles verbindenden Binde- (und in der Sonderform Fett-)gewebe abgelagert wird, das wie eine Art Filter einerseits und Mülldeponie andererseits für alle möglichen Arten von Toxinen und Schlackenstoffen fungiert, entfaltet das Fasten vor allem hier seine reinigende, entschlackende Heilwirkung. Unter dem wenig wissenschaftlichen, aber allgemein sehr anschaulichen Begriff „Schlacken“ verstehen wir alle Stoffwechselendprodukte aus endogenen Abbauprozessen (z. B. Harnstoff, Harnsäure, Ammoniak, Ketonkörper, Gallenfarbstoffe u.a.) und aus dem Abbau exogen aufgenommener körperfremder Stoffe (z. B. Nahrungstoxine wie Konservierungsmittel, Farbstoffe, Pestizide, Schwermetalle und auch Medikamente), die in höherer Konzentration die Intaktheit der Körpergewebe schädigen. Wir streben im Fasten bewußt eine negative Stickstoffbilanz an und denken, daß somit neben abgelagertem Überernährungseiweiß besonders auch krankhafte Oligo- und Polypeptidablagerungen mobilisierend abgebaut werden. Solche Peptide sind auch die Produkte der Immunreaktionen, z. B. die Antigen-Antikörper-Komplement-Komplexe, die bei der Entzündung eine wichtige pathogenetische Rolle spielen (Rheumafaktor = Autoantikörper gegen GammaGlobulin).

Fahmer (8, 9) erwartet eine derartige „Feinarbeit innerer Verdauung“ erst ab der 4. Fastenwoche, und wir empfehlen daher bei der RA längere Fastenzeiten.
Es ist gut vorstellbar, wie im Rahmen eines derartigen Abbaues pathologischer Immunkomplexe das gesamte Immunsystem aktiviert und stimuliert wird. Tatsächlich sinkt im Fasten der Rheumafaktor-Titer ab, teilweise bis in den unspezifischen Bereich.

Eiweißsubstitution?
Da RA-Kranke oft normal oder sogar untergewichtig sind, muß bei den indizierten längeren Fastenzeiten dann doch Eiweiß substituiert werden. Die Menge orientiert sich individuell an Körpergewicht, Ernährungsanamnese und den bei Null-Diät vor allem von Ditschuneit gemessenen Stickstoffbilanzen (7), die bei einem anfänglichen Proteinverlust von ca. 100 g/Tag einen kontinuierlichen Rückgang auf ca. 15 g Proteinverlust/Tag in der 4. Fastenwoche ergeben. Diese Eiweißkatabolie hat Otto Buchingerin seiner Methode intuitiv gemildert, indem er das von ihm selbst noch praktizierte reine Tee/Wasserfasten erweitert hat durch Zugabe von Kohlehydraten in Form von Honig und Fruchtsäften, wodurch die Glukoneogenese aus Eiweiß von Anfang an erheblich reduziert wird. Bei entsprechender Indikation geben wir zusätzlich kleine Mengen Buttermilch (1/4 I entspricht ca. 9 g Eiweiß) oder – um tierisches Eiweiß ganz streng zu vermeiden – Sojamilch (1/4 I aus ca. 50 g Sojapulver entspricht ca. 10 g Eiweiß).

Eikosanoide: Gewebshormone mit auch immunmodulierenden Eigenschaften
Weitere Substitutionen, die wir zunehmend vor allem bei schweren Erkrankungen praktizieren, betreffen neben großzügiger Polyvitaminisierung und Gabe von Mineralien und Spurenelementen, die Verabreichung der essentiellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Ihre Wichtigkeit gerade auch bei der RA wird u.a. seit langem in den Arbeiten und Erfahrungen von Kousmine betont (10). Neuere Forschungsergebnisse belegen mehr und mehr die immense Bedeutung der sogenannten Eikosanoide, Stoffwechselprodukte aus essentiellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren mit einer Kohlenstoffatomzahl von 20 (griechisch Eicosi), die von allen Säugetierzellen gebildet werden. Abb. 2* zeigt, wie aus Linolsäure über Dihomo-y-Linolensäure und Arachidonsäure und aus Linolensäure über die Eikosapentaensäure die Eikosanoide der Prostaglandine, Prostazykline, Thromboxane und Leukotriene entstehen, die als hochpotente „Gewebshormone“ Kapillarpermeabilität, Cholesterinspiegel, Kontraktionstonus der glatten Muskulatur, Blutgerinnung und vor allem auch das Immunsystem modulieren. Die agonistischen, antagonistischen und synergistischen Wirkungen sind noch längst nicht in vollem Umfang erforscht.
(* Abb. 2 kann aus technischen Gründen nicht gezeigt werden)
Bekannt ist aber z. B. eine Beeinflussung des Prostaglandin- und Prostazyklinstoffwechsels durch Steroide und Antiphlogistika (Abb. 3).

Abb. 3: Angriffspunkte einiger Synthesehammer der Metaboliten essentieller Fettsäuren. Die neueren Forschungsergebnisse führten zu Substanzen, die selektiv die Bildung eines Metaboliten (zum Beispiel Thromboxan) hemmen können. (®= Stoffwechselweg; ¾/= Hemmung des Stoffwechselwegs).

Nähere Einzelheiten sprengen den Rahmen dieses Themas, werden aber sicher in der Zukunft neue präventive und therapeutische Perspektiven eröffnen. Erste Erfahrungen mit Fischöl (Eikosapentaensäure) und Nachtkerzenöl (y-Linolensäure) bei RA sind positiv (11). Kousmine berichtet seit Jahren über therapeutische Erfolge mit Leinöl und Sonnenblumenöl bei RA, MS und malignen Erkrankungen (10). Tab. III zeigt den Gehalt an den Grundbausteinen Linol- und Linolensäure in pflanzlichen Ölen, wobei das Sonnenblumenöl für die Linolsäure und das Leinöl für die Linolensäure die, wichtigste Rolle spielen, letztere ist Vorstufe der Eikosapentaensäure (s. Abb. 2), die auch in Fischöl in hoher Konzentration vorkommt und in jüngster Zeit vor allem im Zusammenhang mit Cholesterin und Herzinfarkt beforscht wird. Da biologisch nur die cis-cis-Isomere dieser Fettsäuren wirksam sind (s. auch 2) muß bei der Ölgewinnung und -verwendung jede Erhitzung über 50 Grad Celsius vermieden werden, und die Öle müssen lichtdicht und kühl aufbewahrt werden und sind nur begrenzt haltbar (entsprechend müssen die am Markt angebotenen Fischöl-Kapseln kritisch betrachtet werden). Wir substituieren im Fasten bei entsprechender Indikation 1 bis 2 Teelöffel Leinöl (in Karottensaft oder Sojamilch) und geben (nach Kousmine) 20 bis 60 ccm lauwarmes, kaltgepreßtes Sonnenblumenöl als abendlichen Einlauf für die Resorption über Nacht und betonen die Wichtigkeit dieser Öle in der Ernährung nach dem Fasten ebenso, wie die reichliche Vitaminzufuhr durch einen hohen Rohkostanteil.

Weiterhin hat das Fasten empirisch eine antiphlogistische Wirkung (evtl. durch die Öl-Substitution verstärkt), deren genauer Mechanismus nicht endgültig geklärt -ist. Messungen der Corticosteroide im Fasten ergaben unterschiedliche Ergebnisse; mit zunehmender Fastendauer und Entspannung ist eher ein Absinken zu erwarten. Die serologischen Entzündungsparameter sind im Fasten meist rückläufig.

 

Fettsäure
Linol-Säure
Linolen-
Säure
Vitamin
Provitamin
Lecithin
g F
%
e F
%
m F
%
%
%
E
A
D
Leinöl
10
18
72
13
* 58
+
+
+
+
Rapsöl
7
64
29
12
16
+
+
+
*
Senföl
6
70
24
7
9
+
+
+
+
Olivenöl
13
78
9
8
++
+
+
+
Sonnenblumenöl
9
19
72
* 70
+
+
++
++
Sojaöl
15
21
64
61
+
++
++
+
Distelöl
8
13
75
72
++
+
+
Walnußöl
10
17
75
63
*
+
+
+
Kürbiskernöl
21
24
55
46
*
++
+
++
Weizenkeimöl **
17
16
67
56
8
**
*
*
*
Mandelöl
6
77
17
13
4
++
+
+
+
Abkürzungen:
g F =gesättigte F, e F = einfach ungesättigte F, m F= mehrfach ungesättigte F, F = Fettsäure

+ = vorhanden, bedarfsdeckend bei vernünftiger Kost und Normalkostsituation.
+ + = Werte entsprechen der Bedarfsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und stellen sicher, daß es nicht zu Mangelerscheinungen kommt.
* = reichlich vorhanden, geeignet für kurmäßige Ernährung und Aufbaukost.
* * = Heil-, Kur- und Kosmetik-Öl. Beschreibung beachten.

Tab.III Anteile der gesamten unterschiedlichen Fettsäuretypen und Wirkstoffe In Ölen (nichtstandardisierte Werte, naturbelassene Öle unterliegen Schwankungen).

Vorsicht vor Gewebsazidose bei allen Gelenkerkrankungen
Ein wichtiger und besonders zu berücksichtigender Faktor beim Fasten ist die Azidose. Sie entsteht durch den metabolischen Anstieg von Fett- und Ketosäuren (deren Ausmaß mit zunehmendem Übergewicht größer wird) und wird verstärkt durch die konsekutiv verminderte Harnsäureausscheidung durch Hemmung der tubulären Sekretion in der Niere (7). Bei entsprechender Disposition kann im Fasten eine Gichtsymptomatik ausgelöst werden, der gegebenenfalls durch Allopurinol-Medikation vorgebeugt werden muß. Da Gelenkstrukturen gegen Säure sehr empfindlich sind, muß besonders bei der RA im Fasten eine höhergradige Azidose weitestgehend vermieden werden. Dies wird erreicht durch eine tägliche Gesamttrinkmenge von mindestens 3 l, um eine hohe H+-Ionen-Ausscheidung über die Niere zu gewährleisten.

Zeigt sich bei täglich mehrfachen Messungen ein Urin-pH unter 6,2, wird zusätzlich basisch pufferndes Zitrat (z. B. Zitronensaft oder Basicaâ) gegeben. Auch die Ernährung nach dem Fasten muß besonders bei RA-Patienten basisch sein und muß deshalb raffinierte Kohlenhydrate und Fleischprodukte weitestgehend meiden.

Allopathische Medikamente im Fasten meist entbehrlich
Die Erfahrung zeigt, daß eigentlich bei allen Rheuma-Patienten im Fasten die allopathische antirheumatische Medikation ausschleichend abgesetzt werden kann. Übergangsweise, oder wo dies nicht vollständig möglich ist, muß, da die Schleimproduktion im Magen während des Fastens abnimmt, ein Magenschutz durch schleimsubstituierenden Haferschleim und Leinsamentee, durch Kamillentee oder durch die antazide Wirkung von Sojamilch (die außerdem noch polyungesättigte Fettsäuren substituiert, s. Tab. III) erfolgen, wenn das nicht ausreicht durch pharmakologische Antazida.

Das entschlackende und durchblutungsfördernde Geschehen im Fasten wird natürlich unterstützt durch individuelle angepaßte Bewegung und balneo-physikalische Maßnahmen, auf deren ergänzende Bedeutung Buchfinger immer wieder hingewiesen hat. Wenn erforderlich wird die Fastentherapie auch erweitert durch Homöopathie, Neuraltherapie, Eigenblut, Akupunktur oder ähnliches.

Die seelisch-geistige Dimension des Fastens
Nun ist aber – wie gesagt – das Fasten eine ganzheitliche Methode, und so können neben den beschriebenen körperlichen Wirkungen im Fasten im seelisch-geistigen Bereich ähnliche Reinigungs-, Aktivierungs- und Klärungsprozesse in Bewegung kommen, wenn die/der Fastende dafür offen ist (5). In Besinnung und Introversion nimmt die seelisch-geistige Sensibilität zu, psychosomatische Zusammenhänge können dem Fastenden deutlich werden. Die hierin liegenden großen Chancen auf dem Heilungsweg sollte der ganzheitlich ansetzende Fastenarzt dem Patienten nutzen helfen.

Rheumatische Arthritis als psychosomatische Erkrankung
Bereits 1951 hat Alexander (1) ein psychosomatisches Modell der chronischen Polyarthritis beschrieben. Die RA mit ihren häufig nachgewiesenen Autoantikörpern zählt ja zu den sogenannten Autoaggressionserkrankungen. Es liegt eigentlich nahe, zu versuchen, das darin sichtbar werdende Konfliktgeschehen auch und vor allem psychosomatisch zu betrachten (das entsprechende Modell zeigt (Tab. IV).

Die Krankheit setzt oft ein, wenn eine unbewußt rebellische Haltung durch Schwierigkeiten der äußeren Lebensumstände verstärkt wird (z. B. stärker werdende Autonomie des Lebenspartners oder eines Kindes). Der psychosomatische Ansatz (1, 3, 7) geht allgemein davon aus, daß wachsende Aggressionsgefühle nicht nach außen gelebt und bewußt bearbeitet, sondern nach innen verdrängt und überkompensatorisch abgewehrt werden durch inadäquate Schuldgefühle. Im Verhalten resultiert „eine Kombination aus verstärkter Selbstkontrolle und wohlwollender Tyrannei (Bräutigam)“ über andere. Dabei kann z.T. ein sekundärer Krankheitsgewinn entstehen, wenn die anderen behilflich sein müssen. Bei sehr starken Schuldgefühlen kann zur Aggressionsabwehr eine masochistische Selbsthemmung mit passiver Überanpassung z. T. bis zur Selbstaufopferung und bei zwanghaften Zügen mit Übergewissenhaftigkeit resultieren und in ein geduldiges Ertragen des Schicksals mit Neigung zu depressiver Verstimmung münden.

Da Aggression auf der körperlichen Ebene sich vor allem in angreifenden Bewegungen der Gelenke (vor allem der Hände) zeigt, werden auch besonders diese bei der RA von der Autoaggression befallen (unvollständiger Faustschluß). Die gestaute Aggressionsenergie wird in der Krankheitsvorgeschichte oft in verstärkten körperlichen Aktivitäten (Leistungssport) ausgelebt, mit Krankheitsbeginn entwickelt sich eine zunehmende periartikuläre Tonuserhöhung, diese führt über einen anhaltend erhöhten intraartikulären Druck zu einer körperlich spür- und sichtbaren Gelenkschädigung. Der Schmerz für andere wendet sich durch übermächtige Schuldgefühle gegen die eigenen Gelenke; die eigentlich nach außen gerichtete (seelisch-geistige) Energie bleibt im Gelenk stecken und führt zu den bekannten Phänomenen der Entzündung: Rötung, Schwellung, Überwärmung und Schmerz (diese Betrachtungsweise kann in ähnlicher Form auch auf andere autoaggressive Entzündungskrankheiten angewandt werden).

Der therapeutische Weg ist also eine Arbeit am Bewußtsein, um ins Unterbewußte verdrängte Aggressionsgefühle neu spürbar werden zu lassen und Schuldgefühle einer kritischen geistigen Neubetrachtung zu unterziehen. Dadurch kann der seelisch-geistige Mensch seine ursprüngliche innere Beweglichkeit wiedererlangen, die dann auch die Gelenke wieder beweglicher sein läßt.

seelisch-geistig Verhalten Gelenke
unbewußt rebellisch S
C
H
U
L
D
G
E
F
Ü
H
L
E
überangepaßt Faustschluß unvollständig
herrschen wollen gebeugt dienen Beugung überbetont
mangelnde Offenheit geduldig ertragen Streckung eingeschränkt
gehemmte Aggression muskulär verspannt erhöhter Druck intraartikulär
Der Schmerz für andere wendet sich
gegen die eigene Person

AUTOAGGRESSION

Energie bleibt im Gelenk stecken

Rötung, Schwellung, Schmerz, Überwärmung

 

Tab. IV: Die Rheumapersönlichkeit

Eigene Verlaufsbeobachtungen
Wir haben den Verlauf der Heilfastentherapie bei 37 Fastenkuren von insgesamt 12 Patientinnen mit sero-positiver RA auszuwerten versucht. Die Fastendauer betrug im Mittel 26 Tage, in 6 Fällen 40 bis 43 Tage. Wenn man die objektiv sicht- und meßbare Schwellung und Beweglichkeit und den subjektiv durch die Patientin eingestuften Schmerz und ihr psycho-vegetatives Befinden für sehr gut = 0 und sehr schlecht = 12 als graphische Säulen über die Fastenwochen darstellt, ergibt sich die Abb. 4. Es zeigt sich eine relativ rasche initiale Besserung der Schwellung, die anderen Parameter bessern sich kontinuierlich bis zur 6. Fastenwoche.

Abb. 4

Von diesen Patientinnen haben wir eine Verlaufsbeobachtung über einen Zeitraum zwischen 0,5 und 23 Jahren, im Mittel 5 Jahre (Abb. 5). Dabei zeigen sich bei 10 Patientinnen bereits nach der ersten Fastentherapie deutliche Besserungen bis in den Bereich 1 bis 2 der o. g. 12er-Skala, die im Verlauf sich höchstens wieder bis 3 verschlechtern und auf erneutes Heilfasten in der Regel erneut bis in den Bereich 1 bis 2 besser werden. Bei zwei Patientinnen mit einem Verlauf von 7 und 23 Jahren schwankten die subjektiven Angaben im Bereich zwischen 3 und 6 sowohl während als auch zwischen den fast jährlichen Fastenkuren. Objektiv sind hier Schwellungen und Beweglichkeit über den Beobachtungszeitraum nicht wesentlich schlechter geworden.

Abb. 5: Gelenkstatus über den Beobachtungszeitraum von 0,5 – 23 (Ø 5) Jahre.

Zusammenfassend sind die Langzeitergebnisse in der Therapie der RA neben dem regelmäßigen und ausreichend langen Heilfasten abhängig von der strengen Einhaltung einer basischen lacto-vegetabilen Vollwerternährung mit ausreichender Zufuhr von mehrfach urigesättigten Fettsäuren und dem Verzicht auf raffinierte Kohlenhydrate und Fleischprodukte und natürlich ganz wesentlich von dem Wirksamwerden der seelisch-geistigen Wachstumskräfte, die in den Fastenzeiten gestärkt werden können, sich aber im Alltag bewähren müssen (Tab. V).

körperlich diuretisch, abschwellend, mikrozirkulationsverbessernd, katabol-entschlackend,
immunstimulierend, antiphlogistisch, regenerationsfördernd (Cave: azidotisch)
seelisch bewußteres Erleben von unterbewußten Gefühlen, dem Ego begegnen,
besonders nach innen verdrängten Ärger (Autoaggression) spüren + ausleben
geistig Introversion, Besinnung den Sinn der Krankheit erfahren,
Schicksal als Chance zur Selbst-Entwicklung

 

Tab. V: Fastenwirkungen bei Rheumatoider Arthritis (RA).

Gerade in der Introversion der Fastenzeiten, die möglichst nicht ambulant mitten im Alltag erlebt werden sollten, kann der Rheumakranke über die Wohltat der körperlichen Entschlackung hinaus möglichen unbewußten Aggressions- und Schuldgefühlen, seiner Tendenz zur Selbsthemmung und Überanpassung nachspüren. Er kann als ganzer Mensch über die in der Beugung erstarrten und vor gestauter Energie entzündlich geschwollenen Gelenke sein Unterbewußtes auf abgelagerte, autoaggressive Schlackeninhalte überprüfen und versuchen, durch das Zulassen neuer Erfahrungen und Einstellungen (auch auf geistig-religiösem Gebiet im Zusammenhang mit der Sinnfrage der Krankheit und des Lebens überhaupt) sich und die Gelenke öffnen und ein größeres Maß an Flexibilität im Geist wie in den Gelenken zurückgewinnen. Dabei wird das Heilfasten unterstützt durch Entspannungstraining, Meditation und eventuell Visualisierungstechniken nach Simonton. Das Heilfasten gibt die Kraft, wieder heil zu werden, Therapeuten begleiten im Sinne der „heilenden Seelenführung“ (O. Buchinger). In diesem Sinne kann das Heilfasten wahrhaftig eine ganzheitliche Therapie auch der RA sein.

 


Literatur
1. Alexander, F.: Psychosomatische Medizin, Verlag De Gruyter, Berlin, 3. Aufl. 1977.
2. Anemueller, H.: Das Grunddiät-System. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 3. Aufl. 1987.
3. Buchinger, O.: Das Heilfasten. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 20. Aufl. 1982.
4. Buchinger, O.: Vom Marinearzt zum Fastenarzt. Hyperion Verlag, Freiburg im Breisgau 1955.
5. Dahlke, R.: Bewußt fasten. Urania Verlag, München, 3. Aufl. 1985.
6. Dethlefsen, Th.: Krankheit als Weg. C. Bertelsmann Verlag, München 1983.
7. Ditschuneit, H.: Veränderungen des Stoffwechsels bei NullDiät. Der Internist 11, 176-183 (1970).
8. Fahmer, H.: Fasten als Therapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1985.
9. Fahmer, H.: Das Fasten als Therapie degenerativer Gelenkerkrankungen. Ärzte-Zeitschrift für Naturheilverfahren, 7/82, 23. Jhg., S. 393.
10. Kousmine, C.: Gesundheit auf dem Teller. Verlag Delachaux + Niestlé, Neuchätel-Paris 1984.
11. Kremer, J. M. et al.: Fish-oil fatty acid supplementation in active rheumatoid arthritis. Ann. Intern. Med. 1987, 106:497-503.
12. Lützner, H.: Wie neugeboren durch Fasten. Gräfe und Unzer, München, 21. Aufl. 1987.
13. Simonton, O. C.: Wieder gesund werden. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1982.
14. Wilhelmi-Buchinger, M.: Die Buchinger Methode. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1984.

Newsletter für Termine & Fachinfos